Besuch in den Umsiedlercamps von Pagatpat

Mit zu den letzten Begünstigten erhielt die Schwester meiner Frau eines der Häuser in dem Umsiedlungscamp von Upper Pagatpat in Cagayan de Oro, fast 4 Jahre nach der schweren SENDONG-Flutkatastrophe.

Das war für mich ein guter Grund mit zu fahren und zu schauen wie es in so einem Umsiedlungscamp in den Philippinen aussieht und wie die Menschen dort leben.

Auf einem Hügel auf der anderen Seite wird zur Zeit noch einer Bürgerhalle und einem Evakuierungszentrum für die Zukunft gebaut.

20-cagayandeoro--relocation-camp-upper-pagatpat-01 20-cagayandeoro--relocation-camp-upper-pagatpat-02 20-cagayandeoro--relocation-camp-upper-pagatpat-03Bevor wir hochfahren zu ihrem neuen Domizil, kaufen wir in einem Sari-sari Store auf der Hauptstraße noch etwas zu trinken und zu knabbern ein. Der Laden ist gut bestückt, von Getränken über Konserven, anderen Lebensmitteln und Dingen des täglichen Gebrauchs bis hin zu einfachen Baumaterialien.

Wir kommen am Haus an. Die Schwester muss sich mehrmals vergewissern, dass es auch das richtige ist. Die Fenster haben zwar die Vorrichtung für Glaspanele, sind aber ohne. Der Grund ist Vandalismus und Diebstahl. Einige Glasscherben bestätigen diese Annahme vor dem Haus. Die restlichen wurden ausgebaut und in der Toilette eingeschlossen. Später bestätigen mehrere Neusiedler hier, dass sehr viel gestohlen wird.

Es ist ein Ein-Zimmer-Haus, gebaut aus einem Metallrahmen mit dünnen Betonwänden, eben ein Plattenbau. Es gibt eine kleine Toilette, die auch als Dusche herhalten muss. Eine Zwischendecke gibt es nicht.

20-cagayandeoro--relocation-camp-upper-pagatpat-04 20-cagayandeoro--relocation-camp-upper-pagatpat-05 20-cagayandeoro--relocation-camp-upper-pagatpat-06Hinten führt eine weitere Tür nach draußen. Die erste Aussicht ist, wenn ich nach links schaue, die zweite Aussicht ist die nach rechts. Ein Nachbar ist dabei, sein Haus bereits zu erweitern. Für einen kleinen Garten ist da kein Platz.

Für mich ist es an der Zeit auf Entdeckung zu gehen. Nicht eine einzige Straße ist asphaltiert oder betoniert. Man hat den Hügel mit der Raupe platt gemacht. Man hat dann einfach Betonplatten auf den Boden gegossen ohne weitere Befestigung und Fundamente. Die Wände vieler Häuser sind eingerissen aber repariert worden, wie man sieht. Also ist mit erneuten Rissen zu rechnen, wenn sich der Boden weiter setzt.

Man darf nicht vergessen, diese Häuser werden den Flutopfern kostenlos zur Verfügung gestellt, weil die Stellen an denen ihre vorherigen Wohnungen standen, als nicht bebaubar und bewohnbar gelten. Ich bin nicht davon überzeugt, dass dies genügend Hilfe ist aber Filipinos sehen es so.

Das gesamte neue Umsiedlungscamp hat bisher weder einen Strom- noch einen Wasseranschluß. Die Menschen sagen, die Stadtverwaltung hätte diese bereits beantragt. Nicht zu vergessen, die Katastrophe war vor fast 4 Jahren.

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Ich folge der Straße um an den Rand des Geländes zu kommen. Unterhalb muss ein weiteres Umsiedlungcamp liegen.  Ich möchte mir das von oben anschauen.

Ein Mann arbeitet an einer Hauserweiterung, während der kleine Sari-sari-Laden vorübergehend an der Hauswand aufgebaut ist.  Viele Hausbesitzer versuchen mit einem der so typischen Stores etwas Geld dazu zu verdienen.

Ich möchte ein Foto von dem Mann machen aber nicht durch das Eisengeflecht und er lädt mich ein herum zu kommen.

20-cagayandeoro--relocation-camp-upper-pagatpat-10 20-cagayandeoro--relocation-camp-upper-pagatpat-11Hier hat er einen weiteren kleinen Anbau in Arbeit, eine kleine Küche. Er lädt mich ein, ins Haus herein zu kommen und ich bekomme einen Schock. Darauf war ich nicht vorbereitet.

Das einzige Mobiliar im Haus sind ein kleiner Tisch, ein Stuhl und ein Krankenhausbett mit einem Mann darin, der an Schläuche angeschlossen ist und dem die Beine badagiert sind.

Es ist sein Cousin. Sie haben ihn mitgebracht vor ein paar Tagen, als sie hier eingezogen sind. Er war ein Raucher, der selbst für die Kehlkopfoperation das Rauchen nicht aufgeben konnte.

Es Zeit sich vorzustellen. Ich habe Luis Sultan und seine Ehefrau Marlyn getroffen. Das Ehepaar hat die 24/7 Ganztagspflege seines Cousins übernommen. Der Schleim muss laufend abgesaugt werden. Essen kann nur in flüssiger Form zugeführt werden. Der Patient wird aus Sauerstoffflaschen beatmet. Die Bandagen und Schläuche müssen täglich erneuert werden. Für letzteres kommt Hilfe.

 

Diese Hilfe ist der KrankenpflegerJulito L. Pol, der am Northern Mindanao Provincial Hospital beschäftigt ist. Er bringt einiges an Medikamenten und ist behilflich beim Austausch der Schläuche am Patienten.

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Er erklärt mir, dass es in diesem Fall keine Versicherungsbeteiligung oder andere Hilfe irgendeiner staatlichen oder privaten Institution gebe. Wie ich es verstehe, liegt das daran, dass der Patient nicht stationär im Krankenhaus gepflegt wird.

Die Familie ist durch den Patienten finanziell stark belastet. Der Sauerstoff alleine kostet 1200 Pesos am Tag. Jeden Tag werden zwei der Flaschen benötigt und die Anlieferung erfolgt täglich. Die Flaschen sind geliehen gegen eine Gebühr. Das Ehepaar hat lange nach dem preisgünstigsten Lieferanten gesucht und gar nicht so weit weg gefunden

Luis sagt, er habe als OFW vorher in Katar gearbeitet aber das sei nun zwei Jahre her. Er will zu Hause bleiben und seiner Frau die Arbeit mit der Pflege nicht alleine lassen.

Bevor SENDONG sie aus ihrem Haus vertrieb, lebten sie an der tiefliegenden Burgos Straße am Fluß.

20-cagayandeoro--relocation-camp-upper-pagatpat-13Von Luis seinem Haus aus habe ich einen guten Überblick über das bereits einige Jahre alte Umsiedlungscamp. Unter Regie des alten Bürgermeistern hat die Stadt hier 1000 Doppelhäuser gebaut. Auch dort möchte ich mich umschauen.

Dies ist nicht wirklich ein Bach, sondern hier fließt Regen unkontrolliert ab. Das Wasser fließt dann über Straße zum neuen Umsiendlungscamp auf dem Hügel. Dort ist die Straße zerfurcht und ausgewaschen von den Regenfällen der letzten paar Tage.

Eine Mutter mit einem Kind auf einem Motorrad ist vor uns ausgerutscht und gestürzt. Sie kann sich glücklich schätzen, dass ihr und ihrem Kind nichts passiert ist. Auch das Motorrad scheint in Ordnung zu sein. Sie ruft per mobilem Telefon ihren Mann, den ich im Spiegel schon gelaufen kommen sehe. In der Zwischenzeit haben die Frau und unser Helfer das Motorrad shon wieder aufgerichtet.

Die freie, vom Wasser überflutete Fläche, die nun voll mit Schlamm bedeckt ist, soll der Marktplatz sein, nach Ausagen der Bewohner. Hier kommt Schlamm, sehr viel Schlamm den Hügel herunter. Der Schlamm fließt durch die Straßen, um die Häuser des alten Umsiedlungscamps. Dieses Camp wurde vor der Wachablösung der Bürgermeister, also vor den Wahlen von 2013 erbaut.

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Wenn es stark regnet, bringt das Regenwasser Schlamm mit von den Hügeln und flutet fast das gesamte Gelände dieses Umsiedlungscamps knieetief. Da kann man sagen, das Stadtbauamt war unfähig.

Wohin man schaut, man sieht Schlamm und noch mehr Schlamm.

20-cagayandeoro--relocation-camp-upper-pagatpat-20 20-cagayandeoro--relocation-camp-upper-pagatpat-21Von dort wo eine Menschengruppe steht, höre ich leise das Wort: “cano”. Ein Gruß von mir im Dialekt, ein kleiner Scherz mit den Kindern bricht das Eis sofort. Der Eismann ist da. Die Erwachsenen haben viele Fragen an mich und geben bereits viele Antworten ohne das ich fragen muss.

Ich sehe Wasserbehälter und frage warum. Sie sagen, die Stadtverwaltung habe sie aufgegeben. Warum? Weil dieses Camp im Auftrag des alten Bürgermeisters erbaut wurde. Es sieht so aus, als wenn lokale Politik diesen Menschen mehr Misere als Gutes bringt. Von Anfang an hätten die Häuser keinen Wasseranschluß gehabt erzhählt die Frau. Sie zeigt mir ihre Karre zum Wasserholen. Sie lächelt dabei, so wie hier die Menschen immer lächenln, wenn ihnen der Dreck bis zum Hals steht.

Ich möchte wissen wo sie das Wasser herholen müssen. Ich sehe aus einer der Straßen einen Mann mit seiner Karre und Wasserbehältern kommen. Er führt mich zur Wasserstelle. Es gibt noch drei weitere Wasserstellen, alle entlang der Hauptstrasse, dort wo die Hauptwasserleitung ist. Vier Wasserstellen mit je 4 Auslässen für 1000 Doppelhäuser und ich weiß nicht, für wie viele Bewohner.

20-cagayandeoro--relocation-camp-upper-pagatpat-22 20-cagayandeoro--relocation-camp-upper-pagatpat-23 20-cagayandeoro--relocation-camp-upper-pagatpat-24Zusammenfassung: Es schaut so aus, als ob Umsiedlungsgelände nicht gerade zum Vorteil der zukünftigen Bewohner ausgewählt werden, sondern um sie eher loszuwerden. Allerdings kommen die lokalen Politker kurz vor der Wahl mit kleinen Geschenken und großen Versprechungen wieder.

Familien mit Kranken und Alten sind immer auf sich alleine gestellt.

Vor ihren Verwaltungen und Regierungen erwarten sie eigentlich keine Hilfe.

Nich zu vergessen: Ein andere SENDONG wird in Zukunft sicherlich die Stadt erneut heimsuchen. Hier wird man dann wahrscheinlich nicht knietiet, sondern eher bis zum Hals im Schlamm stehen.

Ich wünsche euch allen eine schöne Woche.