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Lebensgeschichte – 36

 



 

 

SUROY-SUROY’S GESCHICHTE VON 1976 BIS 2009

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September – Dezember 1983 – Sondaemun Gefängnis, Seoul, Süd-Korea

Das Essen war immer einfach, aber reichlich und oft wirklich koreanisch. Also viel Reis (war ich ja gewohnt), aber auch viel Weißkohl, meistens als Gemüsebeilage, frisch, einfach fein geraspelt. Auch gab es immer in verschiedenen Varianten Kimchi (meistens scharfer, eingelegter Kohl; hiervon beziehen die Koreaner in den kalten Monaten ihren Vitaminbedarf). Aber oft gab es dazu dünngeschnittenes kurzgebratenes Rindfleisch. Manchmal war das so zäh, dass man damit Schuhe besohlen konnte. Wenn dann der Erste anfing zu meckern, dauerte es nicht lange, bis es im Block unruhig wurde und die ersten Blechteller schepperten im Gang. Die Randale wurde dann oft so gross, dass bald das erste Wachpersonal auftauchte und dann ging es erst recht los. Die Teller mit dem nicht gegessen Mahlzeiten türmte sich im Gang. Das war für die Koreaner ein besonderes Problem. Denen gefiel es gar nicht, wenn man das Essen verweigerte oder sogar für irgend etwas in Hungerstreik trat. Das Wachpersonal bettelte richtig darum, dass wir unser Essen essen würden. Sogar der Direktor kam dann. Ein oder zweimal holten sie sogar den Koch, der Stand da mit Tränen in den Augen. Als wir ihm dann vorführten, dass man das Fleisch wirklich nicht mit den Zähnen auseinanderbekam, versprach er Hamburger zu machen, mit denen er dann nach einer Weile auch kam. Ab dem Vorfall gab es öfters Hamburger. Wahrscheinlich hat er das zähe Fleisch lieber gleich durch den Wolf gedreht. Manche Sachen die wir gar nicht mochten, haben wir an die Ratten draußen vor den Fenstern (waren ja noch offen) verfüttert. Hat Spass gemacht. Die Viecher waren so gross wie Katzen (wahrscheinlich in unserer Einbildung).

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So in der Zeit von Anfang Oktober bekamen wir Brikettöfen in die Zelle. Das hiess auch, dass ein Bett heraus musste. Tim und ich blieben zusammen auf der Zelle. Die Fenster wurden mit dicken durchsichtigen Plastikplanen verschlossen und mit Holzleisten im Mauerwerk verschraubt. Alle paar Stunden kam ein koreanischer Mitgefangener unter Aufsicht von Wachpersonal, der neue Briketts nachlegte. Das war mollig warm in den Zellen und man konnte im Unterhemd sitzen. Das sah wild rustikal aus, so ein gusseiserner Ofen mit Ofenrohr hoch bis zur Decke und dann an der Decke entlang zum Fenster nach draußen. Die haben da ganz schönen Aufwand getrieben.

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Zweimal die Woche war Arztbesuchstag. Ein Wächter ging vorher herum und fragte ob jemand zum Arzt wollte. Blöde Frage, natürlich mussten alle zum Arzt, bloss um etwas anderes zu sehen. Die Krankenabteilung war auf dem großen Gelände irgendwo am Ende und an der Mauer mit Wachturm. Wir bekamen einen Wärter mit und auf gings per Fussmarsch zum Arzt. Aus unserem Flur nach links raus durch ein grosses Tor. Gegenüber dem Tor war ein weiteres grosses Gebäude, das war das Frauengefängnis. Natürlich war da im Vorbeigehen grosses Geschreie und manchmal konnte man durch Ritzen auch einige weibliche Häftlinge sehen. Aber der Wärter trieb uns da immer schnell weiter. Auf der linken Seite befanden sich zwei oder drei Galgen, um die Todesstrafe durch hängen zu vollstrecken. Der Freitag war der „hanging day“, da gab es keinen Arztbesuch und auch keinen Sport. Wir haben in der Zeit nichts von einer Hinrichtung gehört, obwohl etliche Todeskandidaten dort umherliefen. Meistens dauerte so ein Arztbesuch den ganzen Vormittag. Auch wenn wir keine Beschwerden hatten, aber zumindest klagten wir über Depressionen und Schlafstörungen und wollten unbedingt Valium haben. Innerhalb von zwei Wochen bekamen alle von uns eine tägliche Ration von 2 x 5 mg Valium. Das Krankenhaus war auch dort und im Vorbeigehen wurde noch eben mit den Iranern/Irakern gestänkert.

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Wir hatten unseren ersten Gerichtstermin, also den im Gerichtssaal, wo uns die Anklage vorgelesen wurde. Wir hatten beschlossen, wir wollten uns diemal nicht zusammenbinden lassen. Da war Ärger vorprogrammiert. Wir bekamen alle unsere Handschellen angelegt. Als die Wächter dann mit dem langen Seil kamen, machten wir ihnen durch Gesten zu verstehen, dass wir das nicht wollten und blieben einfach nicht stehen. Dann kam ein Oberwächter und schrie herum, was aber nichts half, da wir ihn nicht verstanden. Der Direktor kam mit James, unser Übersetzer, den mussten sie extra holen. Unsere Forderung Handschellen ja, Seil nein. Der Direktor beharrte aber darauf, weil das nun mal so sei. Palawer, Palawer. Sie versuchten uns wieder anzuseilen. Zwei Koreaner standen schon angeseilt da und warteten darauf, dass wir drei dazu kommen. Keine Reaktion von den zwei koreanischen Häftlingen, ich glaube, wenn die gelacht hätten, hätten die noch auf der Stelle Prügel bezogen. Das Wachpersonal und der Direktor verloren Gesicht. Wir rannten wieder im Raum durcheinander. David konnte sogar das Seil von einem Wärter an sich reissen und warf es aus einem Fenster auf ein Flachdach. Nun waren die Wärter knallrot angelaufen und alles schrie. James übersetze, dass man uns wieder zurück in die Zellen bringen wolle und wir den Gerichtstermin verpassen würden, zwinkerte aber dabei verstohlen mit dem Auge. Sie brachten uns zurück und die Zeit verging. Nach etwa 30 Minuten kam ein Wächter um uns nochmals zu holen und sagte gleich „ok ok, no lope“. Na also geht doch. Wir fuhren mit dem letzten Bus für diesen Tag zum Gericht. Sie konnten es sich nicht erlauben, uns nicht zum Gericht zu bringen. Sie hätten grossen Ärger mit dem Staatsanwalt und den Richtern bekommen. Hatten wir richtig gepokert. Falls es länger dauern sollte hatten wir ein Fresspaket mitbekommen. Im Gericht wurden wir in kleine Zellen mit einer Bank und einer vergitterten Tür weggesperrt. Hier hatte man uns drei getrennt. Ich sass mit einem jungen Koreaner in dieser Zelle.
Er schaute mich dauernd an, bis er in gebrochenem englisch fragte: „Why?“ und dabei auf michtzeigte.

Ich antworte: „Smuggling“.

Koreaner: „No. 1, very good, I see you in TV„.

Ich musste grinsen, hatten wir ja eine zweifelhafte Berühmtheit erlangt.

Ich: „Why are you here?“.

Er: „Pickpocket“.

Als ich dann rausgeholt wurde um vor Gericht zu erscheinen, gab er mir nochmal das thumb-up Zeichen mit den Worten: „No 1“.

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Tage später, wer auf die Idee kam weiss ich nicht mehr, wollten wir mal eine Party feiern, aber so, dass die Wärter das nicht bemerkten. Als der Koreaner kam und nach unserer Bestellung vom Gefangenenladen fragte, war das eine bunte Bestellung: Warme Unterwäsche, Zucker, Bonbons, Apfel und solche Sachen. Am nächsten Tag kam die Lieferung und jeder erhielt seine Papiertüte mit seiner Bestellung. Ein eimer mit frischem Wasser wurde aus den Baderäumen geholt, die Äpfel wurden zerstampft und kamen zusammen mit dem Zucker in den Eimer. Der Eimer wurde dann bei einem unters Bett gestellt, war aber nicht bei uns in der Zelle. Dann war abwarten und jeden Tag wurde nachgeschaut ob man es schon trinken könnte. Nach ein paar Tagen war es soweit. Jeder brachte noch seine aufgesparten Rationen Valium mit, die kamen dann auch noch in die Suppe und dann wurde gefeiert. Hahaha der Becher ging immer reihum und es wurde lustig. Als ich genug hatte wollte ich wieder auf meine Zelle, aber ich hatte ganz schön Schlagseite und wollte mich an der Tür festhalten, habe aber danenben gegriffen und torkelte wohl aus der Zelle in den Flur, dabei hat mich ein Wärter am Ende des Flurs im Vorbeigehen gesehen. Am nächsten Tag war dann Sport, aber ich hatte keine Lust und blieb als einziger im Trakt. Da kamen sie dann und haben alle Zellen durchsucht. Ich stellte mich schlafend, habe sie aber beobachtet. Dauerte nicht lange, da hatten sie den Eimer gefunden. Die Jungs hatten schon eine neue Mischung angesetzt, aber die war noch frisch. Als die Bande vom Sport ziurück kam, konnte ich dann berichten warum der Eimer weg war. Dauerte auch nicht lange, da standen wir wieder mal alle beim Direktor. Koreaner hätten Haftverschärfung und – verdoppelung bekommen. Wir redeten uns damit heraus, das wir keine Ahnung davon gehabt hätten, dass aus Wasser, Äpfeln und Zucker Alkohl wird, wir wollten doch bloss Apfelsaft machen weil wir von immer nur Tee die Nase voll hätten. Selbst James machte dabei ein ernstes Gesicht und musste erst lachen als wir alleine waren. Dabei sagte er uns, der Direktor würde uns lieber heute als morgen loswerden. Er wüsste nicht, ob er das bis zu seiner Pensionierung durchhalten würde.

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Tim, der Unhold, aber mein Beschützer, wenn er meinte, dass ich schlafe, befriedigte sich unter der Bettdecke. Das war mir aber immer noch lieber, als wenn er mich für seine Triebtätigkeit auserkoren hätte.

 



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